Beihilfe im Pflegefall: Was Beamt:innen wirklich bekommen – und wie es sich von Angestellten & Selbstständigen unterscheidet
Pflegefall bei Beamten – häufig falsch eingeschätzt
Gerade Beamte – aber auch viele Vermittler – irren häufig, wenn es um die richtige Absicherung im Pflegefall von Beamtinnen und Beamten geht. In 10 Punkten erhalten Sie die wichtigsten Informationen zur Pflegeabsicherung im Beamtenverhältnis. Sie erfahren, warum ohne eigene private Vorsorge sogar Ansprüche aus der erweiterten Beihilfe und Fürsorgepflicht entfallen können – und wie Sie das vermeiden.
Beamte erhalten im Pflegefall Beihilfe zusätzlich zu ihrer Pflegepflichtversicherung (PPV bzw. SPV). Die Beihilfe orientiert sich in ihrer Systematik an den Leistungen der sozialen Pflegeversicherung nach dem SGB XI. In der vollstationären Pflege gewähren der Bund und viele Bundesländer darüber hinaus eine einkommensabhängige Mehrleistung („erweiterte Beihilfe“) – diese deckt Teile der verbleibenden Restkosten ab.
Angestellte sind hingegen ausschließlich in der sozialen Pflegeversicherung (SPV) versichert. Selbstständige sind entweder dort (bei Mitgliedschaft in der GKV) oder in der privaten Pflegepflichtversicherung (PPV) abgesichert – eine Beihilfe gibt es hier nicht.
Die Eigenanteile in Pflegeheimen umfassen insbesondere Unterkunft, Verpflegung und Investitionskosten, die von der Pflegekasse nur teilweise oder gar nicht übernommen werden. Seit 2024 werden die pflegebedingten Eigenanteile durch Leistungszuschläge prozentual gemindert.
Wichtiger Hinweis zu Länderunterschieden:
Die konkreten Beihilfe-Regelungen – etwa zu Höchstbeträgen, Einkommensgrenzen und Verfahren – unterscheiden sich zwischen Bund und Ländern (z. B. Bayern). Zudem existieren in einigen Ländern zusätzliche Landesleistungen außerhalb der Beihilfe, wie z. B. das Pflegewohngeld (u. a. in NRW) zur Finanzierung von Investitionskosten in stationären Einrichtungen.
- 1) Was deckt die Beihilfe im Pflegefall ab?
- 2) „Erweiterte Beihilfe“: einkommensabhängige Mehrleistung nach § 39 BBhV
- 3) Rechtsprechung kompakt – was Gerichte entschieden haben
- 4) Unterschiede zwischen Bund und Ländern – Beispiele
- 5) Was zahlen Pflegekassen überhaupt – und was bleibt übrig?
- 6) Beamte vs. Angestellte vs. Selbstständige – der klare Unterschied
- 7) Häufige Missverständnisse – kurz richtiggestellt
- 8) Praxisbeispiel (vereinfachte Logik)
- 9) Checkliste: Worauf Beamt:innen jetzt achten sollten
- 10) Rechtliche Quellen & Orientierung
- Fazit
1) Was deckt die Beihilfe im Pflegefall ab?
Grundprinzip
Beamt:innen (bzw. berücksichtigungsfähige Angehörige) erhalten Beihilfe zu Pflegeleistungen, die sich in Struktur und Anspruch an den SGB-XI-Leistungen ausrichten. Praktisch bedeutet das: Für häusliche und teilstationäre Pflege werden die entsprechenden Pflegeleistungen (z. B. Pflegesachleistungen, Entlastungsbetrag, Tages-/Nachtpflege) beihilfefähig, anteilig nach dem individuellen Beihilfebemessungssatz. Details, Belege und Antragswege sind in Merkblättern der Beihilfestellen konkretisiert.
Vollstationäre Pflege – der Knackpunkt
In der vollstationären Pflege sind pflegebedingte Aufwendungen beihilfefähig; Unterkunft, Verpflegung und Investitionskosten sind es grundsätzlich nicht. Genau hier entstehen für alle Pflegebedürftigen (auch für Angestellte und Selbstständige) die größten Eigenanteile. Beim Bund sieht § 39 BBhV hierfür eine einkommensabhängige Mehrleistung vor (siehe unten).
2) „Erweiterte Beihilfe“: einkommensabhängige Mehrleistung nach § 39 BBhV
Was ist die Erweiterte Beihilfe?
Beim Bund regelt § 39 BBhV für vollstationäre Pflege, dass auf Antrag über die beihilfefähigen Pflegekosten hinaus weitergehende Beihilfe geleistet werden kann – einkommensabhängig –, um den amtsangemessenen Unterhalt zu sichern. Das umfasst Teile von Unterkunft, Verpflegung und Investitionskosten, wenn ohne diese Mehrleistung der Mindestverbleib am Einkommen unterschritten würde.
Deckt die erweiterte Beihilfe alles ab?
Nein. Es gibt keinen Automatismus einer Vollabdeckung. Die Mehrleistung dient als soziale Abfederung und knüpft an Einkommen/Vermögen und verwaltungsrechtliche Ermessensausübung an. Ein Eigenanteil bleibt regelmäßig. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat zudem klargestellt: Kein Anspruch auf unbegrenzte Beihilfe allein aus dem beamtenrechtlichen Fürsorgegrundsatz; zumutbare Eigenvorsorge (z. B. Pflegezusatz) darf erwartet werden.
3) Rechtsprechung kompakt – was Gerichte entschieden haben
- BVerwG, Urt. v. 26.04.2018 – 5 C 4.17: Keine über die Verordnungen hinausgehende Beihilfe allein aus der Fürsorgepflicht, wenn zumutbare Eigenvorsorge (Pflegezusatz) unterlassen wurde. Kerngedanke: Beihilfe ist Regelwerk-gebunden; der Fürsorgegrundsatz ist kein Freibrief.
- BVerwG, Urt. v. 11.08.2022 – 5 CN 1.21: Normenkontrolle zu § 4j BremBVO (vollstationäre Pflege). Das Gericht befasst sich mit der Beihilfefähigkeit und Zumutbarkeit von Eigenbeteiligungen unter dem Maßstab des amtsangemessenen Lebensunterhalts; landesrechtliche Ausgestaltungen werden an Fürsorgepflicht und Verhältnismäßigkeit gemessen.
Praxisrelevanz: Die Urteile bestätigen, dass Regelungen in Bund/Ländern zulässig sind, die Eigenbeteiligungen vorsehen, solange der amtsangemessene Unterhalt gewahrt bleibt. Ein „Rundum-Sorglos-Anspruch“ besteht gerade nicht.
4) Unterschiede zwischen Bund und Ländern – Beispiele
- Bund (BBhV § 39): Einkommensabhängige Mehrleistung nur für vollstationäre Pflege; Antrag, Nachweise, Prognose der Einkünfte möglich, wenn das laufende Einkommen gegenüber dem Vorjahr wesentlich geringer ist.
- Bayern (BayBhV § 36; Broschüre/StMFH): Eigene, landesrechtliche Ausgestaltung der beihilfefähigen Pflegeaufwendungen und Verfahren; Details zu häuslicher, teilstationärer und stationärer Pflege sowie Pflegehilfsmitteln und Pauschalen in landeseigenen Übersichten.
Wichtig: Inhalt, Höhe und Voraussetzungen der Mehrleistungen (z. B. Mindestverbleib, Selbstbehalt, Nachweispflichten) variieren. Prüfen Sie immer die zuständige Beihilfeverordnung (Bund vs. Land) und das aktuelle Merkblatt Ihrer Beihilfestelle.
5) Was zahlen Pflegekassen überhaupt – und was bleibt übrig?
Seit 2024 erhalten Pflegebedürftige (Pflegegrade 2–5) in Heimen Leistungszuschläge auf den pflegebedingten Eigenanteil (EAE) ab Heimeinzug – 15 %, mit Stufen je nach Aufenthaltsdauer steigend. Nicht umfasst sind Unterkunft, Verpflegung, Investitionen (U/V/I). Diese Restkosten verursachen den Löwenanteil der Zuzahlung.
Zusatzbausteine neben Beihilfe/PPV/SPV:
Einige Länder gewähren Pflegewohngeld als Zuschuss zu Investitionskosten (z. B. NRW). Das ist einkommens- und vermögensabhängig und keine Bundesleistung.
6) Beamte vs. Angestellte vs. Selbstständige – der klare Unterschied
- Beamt:innen: PPV/SPV + Beihilfe. In Heimen ggf. erweiterte Beihilfe (einkommensabhängig) für Teile von U/V/I, um den amtsangemessenen Unterhalt zu sichern. Keine Vollkasko – Eigenanteile bleiben möglich.
- Angestellte: SPV (keine Beihilfe). Zuschläge mindern nur den pflegebedingten Eigenanteil; U/V/I sind selbst zu tragen (abzüglich evtl. Sozial-/Landesleistungen wie Pflegewohngeld, wo vorhanden).
- Selbstständige: PPV (bei PKV) oder SPV (bei GKV); keine Beihilfe. Kostendruck identisch zu Angestellten.
7) Häufige Missverständnisse – kurz richtiggestellt
- „Erweiterte Beihilfe übernimmt alles.“ – Falsch. Sie ist einkommensabhängig, antragsgebunden und nur für vollstationär; Vollabdeckung ist nicht der Regelfall.
- „Fürsorgepflicht = unbegrenzte Beihilfe.“ – Falsch. BVerwG verlangt Beachtung der Verordnungen und gesteht Zumutung von Eigenvorsorge zu.
- „Pflegekassen zahlen U/V/I.“ – Falsch. Diese Restkosten bleiben im Kern Eigenanteile (teils durch Landeszuschüsse wie Pflegewohngeld abmilderbar).
8) Praxisbeispiel (vereinfachte Logik)
Pflegegrad 3, Heimaufnahme im Bundesdienst (BBhV).
- Pflegekasse: Leistungsbetrag + Leistungszuschlag auf den pflegebedingten Eigenanteil.
- Beihilfe: Anteil an pflegebedingten Aufwendungen; U/V/I zunächst nicht beihilfefähig.
- Erweiterte Beihilfe (§ 39 BBhV): Auf Antrag, wenn sonst der amtsangemessene Unterhalt unterschritten würde; es können Teile von U/V/I übernommen werden – nicht automatisch in voller Höhe.
- Zusatz: In NRW könnte Pflegewohngeld für Investitionskosten helfen (abhängig von Einkommen/Vermögen).
9) Checkliste: Worauf Beamt:innen jetzt achten sollten
- Zuständigkeit klären: Bund (BBhV) oder Land (z. B. BayBhV) – andere Spielregeln möglich.
- Leistungsnachweise sammeln: Pflegegrad-Bescheid, Heimvertrag (Aufschlüsselung in Pflege, U/V/I), Einkommens-/Vermögensnachweise.
- Erweiterte Beihilfe früh beantragen (falls Heim): Mindestverbleib/Einkommensprognose beachten.
- Ergänzende Förderungen prüfen: Pflegewohngeld (wo vorhanden), ggf. Hilfe zur Pflege im SGB XII.
- Eigenvorsorge: Pflegezusatz prüfen (BVerwG betont Zumutbarkeit).
10) Rechtliche Quellen & Orientierung
- Bundesbeihilfeverordnung § 39 (vollstationäre Pflege, Mehrleistung/Einkommensprognose).
- BVA-Merkblatt „Vollstationäre Pflege“ (praktische Auslegung/Antragsunterlagen).
- BVerwG 5 C 4.17 (2018) – Fürsorgepflicht, Eigenvorsorge, Grenzen überobligatorischer Beihilfe.
- BVerwG 5 CN 1.21 (2022) – Landesrechtliche Ausgestaltung (Bremen) im Lichte der Fürsorgepflicht.
- BayBhV § 36 (Beispiel Landesrecht Bayern, stationäre Pflege).
- Pflegekassen-Zuschläge zum pflegebedingten Eigenanteil seit 2022/2024.
- Pflegewohngeld NRW (Investitionskosten-Zuschuss).
Fazit
Für Beamt:innen ist die Beihilfe im Pflegefall ein wichtiger Baustein, aber keine Vollabsicherung. Die erweiterte Beihilfe nach § 39 BBhV (und landesrechtliche Pendants) kann spürbar entlasten, ersetzt aber nicht die eigene Vorsorge oder eine saubere Leistungskoordination zwischen Pflegekasse, Beihilfe und Landes-/Sozialleistungen. Wer die maßgeblichen Paragraphen, Verfahrensschritte und Länderunterschiede kennt, reduziert Eigenanteile und vermeidet Ablehnungen.
Unsere Empfehlung (Call-to-Action)
Die optimale Absicherung und Kostensenkung im Pflegefall gelingt nur mit einer individuell abgestimmten Strategie. Dazu gehören eine genaue Beihilfe-Analyse – je nach Zuständigkeit von Bund oder Land –, die Leistungsabstimmung zwischen privater und sozialer Pflegepflichtversicherung, gegebenenfalls der Antrag auf erweiterte Beihilfe sowie die Prüfung von Ansprüchen auf Pflegewohngeld oder Hilfe zur Pflege. Ergänzend kann, wo sinnvoll, ein privater Pflegezusatzschutz den notwendigen finanziellen Spielraum sichern.
Wer sich allein auf Beihilfe und Fürsorgepflicht verlässt, geht jedoch ein erhebliches Risiko ein. Sowohl gesetzliche Regelungen als auch der persönliche Beamtenstatus oder der Kreis beihilfeberechtigter Angehöriger können sich jederzeit ändern. Zudem ist die Fürsorgepflicht kein Freibrief: Leistungen dürfen verweigert werden, wenn keine zumutbare Eigenvorsorge getroffen wurde. Besonders im mittleren Alter ist oft ungewiss, ob man dauerhaft im gleichen Bundesland tätig bleibt und damit die bisherige Beihilferegelung bestehen bleibt.
Deshalb ist eine frühzeitige, vorausschauende Absicherung dringend zu empfehlen – insbesondere für Berufsgruppen mit erhöhtem Risiko wie Polizei oder Feuerwehr. Wer durch Krankheit oder Unfall bereits gesundheitlich eingeschränkt ist oder war, hat häufig keine Möglichkeit mehr, eine private Pflegevorsorge abzuschließen. Die wichtigste Regel lautet daher: Vorsorge sollte in gesunden Tagen und so früh wie möglich erfolgen. Pflege kennt kein Alter, sie kann jeden treffen und ist auch keine Frage des Alters, sondern des Lebens.
Lassen Sie Ihre individuelle Situation jetzt von unserer Kanzlei kostenlos prüfen.
Wir erstellen für Sie eine klare Leistungs- und Kostenübersicht, identifizieren Anspruchsgrundlagen (inkl. aktuelle Rechtsprechung) und begleiten Sie sicher durch Antrag und Nachweise – bis zum Abschluss der passenden Absicherung.
Bert Heidekamp, Versicherungsmakler, Analyst und geprüfter sowie
international zertifizierter BDSF Sachverständiger für biometrische Risiken
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